Samstag, 19. März 2011

Zerstörung nach Maß - Overkill und Destruction brutalisieren Braunschweig

„Wer war da, als wir das letzte hier gespielt haben“, ruft Destruction-Shouter „Schmier“ den Leuten in der Meier Music Hall zu. Sechs zeigen auf. Doch nicht mangelnde Popularität der Band ist Ursache des mageren Umfrageergebnisses: Das letzte Gastspiel der badischen Thrash-Veteranen datiert 1984.

Von jugendlichem Ungestüm ist die gesamte Veranstaltung ohnehin nicht geprägt: Die als Anheizer fungierenden Metal-Belgier After All gründeten sich Mitte der 90-er Jahre und Heathen aus den USA zählen zu den Vorreitern der Frühachtziger Thrash-Offensive.

Damals potenzierten Musiker beiderseits des Atlantiks die Energie des Punk mit der Wucht des Metal zu einer schwermetallischen Legierung, die beträchtliche Durchschlagskraft entwickelte.

Zu diesen Pionieren können sich auch erwähnter Schmier und seine Mitstreiter zählen. 1982 im südbadischen Weil am Rhein gegründet bilden Destruction gemeinsam mit den Ruhrpöttlern Kreator und Sodom seither das klassische deutsche Thrash-Dreigestirn.

Ohne zu Zögern belegen Destruction die Music Hall mit einem Teutonen-Thrash-Trommelfeuer erster Kategorie und bedrängen mit hämmernden Baden-Beats das hilflose Publikum. Rücksichtslos werden Hits der letzten drei Dekaden wie „Bestial Invasion“, „Thrash ´til Death“, „The Butcher Strikes Back“ oder „D.E.V.O.L.U.T.I.O.N.“ durchgepeitscht. Destruction haben sichtlich Freude an diesem Zerstörungswerk nach Maß. Enthusiasmiert verspricht Schmier spätestens in zwanzig Jahren „notfalls im Rollstuhl“ wiederzukommen.

Kommen wir zum Hauptprogrammpunkt des Abends, Overkill. Sie gehören zu den letzten Volkstribunen der einst vitalen Thrash-Bewegung. Anders als die arrivierten Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth, die mit der „Big Four“-Tour durch die Welt ziehen. Overkill selbst jedenfalls wirken quicklebendig. Allen voran Sanges-Derwisch Bobby „Blitz“ Ellsworth. Wild gestikulierend durchmisst der nimmermüde fast 52-Jährige sein Bühnenreich. Kein Gramm Fett trägt Ellsworth am Körper, dafür aber ein paar dezente Tätowierungen. Stimmlich ist er noch immer eine Zierde seiner Zunft.

Wie der Fahrtwind eines vorbeirasenden ICE reißen stürmisch vorgetragene Gassenhauer wie „Rotten to the Core“, „Welcome to the Gutter“, „Ironbound“ und der Evergreen „Fuck You“ mit. Zwischendurch gibt es immer wieder Ausflüge in Overkill-typische melodische Gefilde und eine warme Sounddusche des blind harmonierenden Gitarren-Duos Dave Linsk und Derek Tailer. Das vergessen selbst die sechs Aufrechten von 1984 die Bedrückungen des Alters. Overkill beweisen: Altmetall rostet doch nicht.

Diese Kritik erschien am 19.03. in der Braunschweiger Zeitung.

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