Sonntag, 18. September 2011

Vom einstigen Glanz bleibt nur ein Badetuch - Ein Rundgang über die Popkomm in Berlin

Musik ist in unserem Alltag präsenter als je zuvor. Durch handliche digitale Abspielgeräte ist der Lieblingssound ständig verfügbar. Bei den Tonträgerproduzenten selbst spielt die Musik aber schon lange nicht mehr – zumindest nicht in der Melodie klingender Münze. Die Plattenfirmen gemahnen an das römische Reich am Vorabend seines Untergangs: Der Glanz der Erinnerung blendet höchstens noch das innere Auge des Betrachters, die äußere Pracht ist vergangen. Das war auch auf der Musikmesse Popkomm zu beobachten, deren 22. Ausgabe von Mittwoch bis Freitag in Berlin stattfand. Der Stand der einzigen bekannten beim Branchentreff vertretenen Plattenfirma hatte die Größe eines Badetuchs.

Vor dem Hintergrund der technischen Umwälzungen seit der Jahrtausendwende und die von ihnen ausgelösten veränderten Konsumgewohnheiten hat sich auch die Messe aufs digitale Musik-Geschäft fokussiert und nach dem Neustart auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof zur reinen Fachbesucher-Veranstaltung entwickelt. Einen Publikumstag gab es im Gegensatz zu früher nicht mehr.

Das neue Konzept ging offensichtlich nicht auf. Nur 5200 Besucher verliefen sich laut Veranstalter in den ehemaligen Flughallen, in denen sich 400 Aussteller präsentierten. An vielen Ständen herrschte dauerhaft Besucherflaute. Einen Kontrast bildete lediglich der gemeinsame Standplatz von Österreich und der Schweiz. Hier herrschte dichtes Gedränge, obwohl beide Länder im Pop bisher nicht als stilprägend aufgefallen sind. Weiswein gratis.

Im vergangenen Jahr kamen noch allein an den beiden brancheninternen Tagen 7500 Besucher zur Popkomm. Am dritten, offenen Tag waren noch mal mehrere tausend Gäste erschienen. „Eines hat die diesjährige Popkomm verdeutlicht: Die Musikwirtschaft ist im Umbruch“, hieß es in der Bilanz der Veranstalter.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hätte es der Veranstaltung nicht erst bedurft: Seit dem Aufkommen von Musik-Tauschbörsen und der massenhaften Verbreitung von CD-Brennern seien die Umsätze der deutschen Musikindustrie bis 2009 trotz ständig steigender Musiknutzung um 40 Prozent zurückgegangen, gibt der Bundesverband der Musikindustrie bekannt.

Immerhin, nach zehn harten Jahren geht es der Branche in Deutschland inzwischen wieder etwas besser. Der Bundesverband ist optimistisch, dass der Markt im Download- und Mobiltelefonbereich bis 2013 auf das Doppelte wachsen wird. Geschäftsfelder wie Konzerte – der Live-Musik-Sektor boomt ohnehin –, Merchandising oder Videomitschnitte könnten dreimal so groß werden. Tonträger wie CDs nähmen dann lediglich noch ein Drittel des Gesamtmusikmarkts ein, heute stammen noch 80 Prozent der Musikumsätze aus deren Verkauf.

Im vergangenen Jahr ist der Umsatz aus Musikverkäufen noch mal um mehr als drei Prozent zurückgegangen – Schaut man auf England (minus 23 Prozent) oder Frankreich (minus 9 Prozent) hätte es die hiesigen Plattenproduzenten noch weit schlimmer treffen können. Ob die Musikindustrie die verlorenen Umsatzhöhen jemals wieder erklimmen wird, scheint also mehr als fraglich. Musikpiraten machen der Branche noch immer zuschaffen: Den Trend der letzten Jahre fortschreibend ist die Anzahl der illegal herunter geladenen Alben erneut drastisch gestiegen.

Dass die Vitalität der Musikszene dennoch ungebrochen ist, zeigte sich bei der Berlin Music Week, unter deren Dach die Popkomm ausgerichtet wurde. Über hundert Künstler und Bands aus Rock und Pop stellten sich in verschiedenen Clubs der Hauptstadt vor. Die Konzerte waren durchweg gut besucht. Für 2012 ist eine weitere Auflage der Popkomm geplant.