Donnerstag, 10. Januar 2013

Die Dunkelheit hat viele Facetten – Shy Guy At The Show feiern nach längerer Konzertpause ihre Auferstehung, Samstag, 6.1., Rheinschänke, Leimersheim


Eigentlich herrschen goldene Zeiten für dunkle Rockmusik: Eine Band wie Unheilig eilt von Erfolg zu Erfolg – die Diskussionen um die zunehmenden Schlagertendenzen beim Graf einmal beiseite gelassen – und Ausstellungen wie die Schau "Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst" in Frankfurt ziehen Besuchermassen an. Vor diesem Hintergrund müssten Shy Guy At The Show (SGATS) eigentlich in ausverkauften Hallen spielen – und nicht wie vergangenen Samstag in der Rheinschänke in Leimersheim.
Andererseits: wer sich fast zwei Jahre in der Versenkung verkrochen hat, muss sich wohl ersteinmal hinten, beziehungsweise ganz unten, anstellen. Von daher können sich die „scheuen Jungs“ wohl glücklich Schätzen, dass sie zumindest bei den treuesten ihrer treuen Fans noch unvergessen sind und gut hundert von ihnen den historischen Ort des allerersten SGATS-Auftrittes an den Rand der Kapazitätsgrenze brachten.
Doch kommen wir zum Wesentlichen: Die Band hat während der Zeit der Bühnenabstinenz nichts  verlernt, sie präsentiert sich im Gegenteil spielstark und wandlungsfähig wie nie zuvor. Sänger Sebastian Emling wandelt wie eh und je trittsicher auf dem Grad zwischen gefühlsseligem Schmerzensmann und manischer Rampensau mit Jim Jones- Qualitäten.
Während der Baumgroße Frontmann stimmlich auf einen grufttiefen Bariton festgelegt ist, geben sich seine Hinterleute nahezu schizophren flexibel. Bedrohlich stampfende Heimsuchungshymnen („Ghosts“) wechseln mit Düster-Blues (“Death is the Mother of Beauty”) à la Mark Lanegan, Dark-Disco-Smashern („Skin“), bei denen die ganze Rheinschänke im Drei-Schritte-Tanz schwoft, und harrschen Rockern („Death Valley“), wie sie The Cult zu „Ritual“-Zeiten auch nicht besser hinbekommen hätten.
Den Ur-Hit „Close“ müssten die Indie-Club-DJs ob seiner einnehmenden Rhythmik und den vor Sattheit schon fädenziehenden Keyboards eigentlich rauf und runter spielen. Dann wiederum zelebrieren SGATS wie beim balladesken (und brandneuen) „76 Degrees“ erhabene Sonnenaufgangsrefrains, die sich glitzernd im Wellenspiel Jonas Schiras Piano brechen. Nur um im Anschluss bei einem angedeuteten Doors-Zitat wie „Solidarity“ mit einem Gedicht von Lord Byron auf den Lippen und Patschuli-Duft in der Nase im schmatzenden Post-Rock-Sumpf zu versinken.
Ergänzt wird das Programm durch ein paar geschmackssicher ausgewählte Covers wie „Wolf Like Me“ der Indie-Avantgardisten TV On The Radio , „Tainted Love“ von Soft Cell oder „Love Is A Shield“ von Camouflage.
Kurz, die Band ist gereift. Die aktuellen Songs erscheinen kompakter als noch auf dem letzten Langspieler, dem auf auf Goethes Prometheus basierenden Konzeptalbum „The Birth Of Doubt“. Sie überschreiten gar die Grenze zum Pop, was vom fürs Frühjahr angekündigten neuen Album einiges erwarten lässt. Am Ende des über zweieinhalbstündigen Konzerts sind die Scheiben beschlagen – von innen und außen. Hoffentlich sieht man von dieser famosen Band in Zukunft wieder mehr.

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