Montag, 4. März 2013

Dolles Ding! - Bei den Toy Dolls fliegt die Elefantenkuh

Keine Frage, The Toy Dolls sind Dinosaurier – wenn auch die lustigsten seit der Mitteltrias. Seit gefühlten 250 Millionen Jahren macht das Punk-Trio aus dem nordenglischen Sunderland die Bühnen dieser Welt unsicher. Zwar hat Gitarrist und Sänger Michael „Olga“ Algar, die einzige Konstante in der 33-jährigen Bandgeschichte, angekündigt, das Spielzeugpuppenhaus nach dem Ende der aktuellen „The tour after the last one“-Tour dichtmachen zu wollen, aber angesichts der überschwänglichen Publikumsreaktionen wie am vergangenen Freitag im ausverkauften Substage, würde sich niemand wundern, wenn das Toy Dolls-Zeitalter noch einige Äonen anhielte – sofern die Erde nicht von einem Meteoriteneinschlag ausgelöscht wird; versteht sich.
Zu hoffen wäre jedenfalls auf eine Fortsetzung. Denn wie lebenswert wäre diese Welt ohne eine Band, die klingt als hätten sich Status Quo und Queen, samt einem Stapel DVDs klassischer Britcoms und einem Pfund Speed, im Hinterzimmer eines Pub zum Songschreiben eingeschlossen? Dann doch lieber Meteoriten! Die Toy Dolls also spielen eine Art pompösen Gute-Laune-Boogie, der mit dem Adjektiv „Punk“ nur unzureichend beschrieben ist. Beim Zuhörer löst er den unwiderstehlichen Drang aus, sich augenblicklich mit dümmlichem Grinsen ein Bier über den Kopf zu schütten und dann den Stehnachbaren zu dessen Überraschung aus dem Hinterhalt im hohen Bogen auf die Rempeltanzfläche zu schucken. Kaum spielen Olga und seine beiden Mittäter in ihren quatschigen gestreiften Anzügen und albernen bunten Sonnenbrillen die ersten drei Akkorde – passiert genau das. Im Saal: stampede!
In den folgenden neunzig Minuten beweisen die Toy Dolls einmal mehr, dass sie Meister des klassischen Entertainments sind. Eine um die andere Maxipackung Frohsinn werfen sie unters  freudentaumelnde Publikum. Die Themenpalette, die Olga quäkend wie ein betrunkener Gnom mit Nebenhöhlenkatarrh besingt, umfasst Schmerz-Salbe, die Türpolitik von Nachtclubs („She goes to Finos“) oder entlaufene Zirkustiere („Nellie the Elephant“). Dabei erweist sich der magere Mann nicht nur als Alliterations-Ass ("Decca`s Drinking Dilemma", "Credit Crunch Christmas"). Die  meisten seiner supereingängigen Refrains  enthalten auch anheizende Textbausteine wie „Hey“, „Ohhhh“ oder „Ridledidum“. Hinzu kommen herrlich billige DIY-Showeffekte wie Riesen Knallbonbons, ein paar Eimer Konfetti, wie Uhrzeiger drehbare ZZ-Top-Gitarren und rudimentäre Choreographien (Bass und Gitarre gleichzeitig erst drei Schritte nach links, dann nach rechts und Kick). Zum-schie-ßen!
Bei allem Augenzwinkern sind die „Dolls“ aber kein Comdy-Act wie die Bloodhound Gang. Olga, der von sich behauptet, eigentlich Bassist zu sein, ist  ein Gitarrencrack, der es mit jedem Metal-Shredder aufnehmen kann. Wie zum Beweis unternimmt er immer wieder Ausflüge in klassische Gefilde, wie es Accept oder Manowar tun. Zum Beispiel zu Bachs Toccata, die der 50-Jährige mit der Ansage, das Stück stamme von jemandem, der noch älter sei als er, einleitet. Auch The Amazing Mr. Duncan am Schlagzeug und Tommy Goober am Bass spielen ohne Fehl und Tadel.
Diese ganze Nummer ist so typisch englisch – bis hin zu Olas fehlenden Backzähnen – wie Nachmittagstee oder der Anthony Eden-Hut von Winston Churchill. Mit letzterem hat Ola nicht nur Kampfgeist, Humor und die große Klappe gemein, er ist auch genauso unverwüstlich. Was man von diesem Rezensenten nicht behaupten kann. Nach dem Konzert erst mal schön Fiery Jack-Schmerzgel auf den vom Pogo-Tanzen malträtierten Rücken schmieren…waaaaaaahhhhhhhhhhhhhhh!

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