Freitag, 1. März 2013

Wir gehen nirgendwo hin, wer kommt mit? - Madsen auf der Suche


Trotz des Pokalschlagers zwischen dem amtierenden und dem wahrscheinlich zukünftigen deutschen Meister ist das Substage proppenvoll. Auf ihre weiblichen Fans können sich Madsen offenbar verlassen. Denn ohne deren Einsatz wäre der Laden heute vermutlich nur halb gefüllt. Typischerweise schaut sie erwartungsvoll auf die Bühne, wo ein einsamer Roadie sämtliche Instrumente ausgiebig stimmt und in nahezu zenhafter Seelenruhe überprüft. Währenddessen guckt er immer wieder nervös auf sein Smartphone guckt und verflucht vermutlich insgeheim diesen Bastard dort vorne, der mit seiner Trödelei alle Hoffnung, rechtzeitig zur zweiten Halbzeit vor irgendeinem Fernsehgerät zu sitzen, zunichtemacht.
Doch keine Spur von schlechter Laune bei Konzertbeginn: kaum legt das aus den drei Madsen-Brüdern Sebastian (Gesang), Johannes (Gitarre), Sascha (Schlagzeug) und Bassmann Niko Maurer bestehende Quartett los, fangen die Leute bis hinten ans Mischpult an zu springen und zu klatschen. Dass der im Grunde recht gewöhnliche aber druckvolle Punkpop-Indierock der live um Keyboards und eine zweite Gitarre aufgestockten Band stark an die Toten Hosen erinnert, mag diesen Enthusiasmus erklären. Sonstige Ausrufezeichen fehlen.
Zwar verfügt Sebastian Madsen in seiner Jovialität als Frontmann nicht annähernd über die Eindringlichkeit eines Campino, aber wahrscheinlich ist es gerade die etwas vierschrötige Unverblümtheit, welche die Wendländer bislang alle Stürme überdauern ließ. Während zunächst vor ihnen auf der Neuen-Neuen-Deutschen-Welle surfende Konkurrenten wie Juli, Silbermond oder Wir Sind Helden, mit ihrem betrügerisch als Rockmusik etikettierten Geschnulze und Powerpuff-Pony-Pop längst abgesoffen sind, stehen Madsen noch immer aufrecht auf ihren Brettern.
Wie kommt das? „Ein Fahrrad fällt normalerweise im Stehen um, nicht, solange es fährt“, wird sich die Band gesagt haben. Folglich wird in ihren Liedern ständig irgendwohin aufgebrochen: „Weil du nur einmal lebst / willst du, dass sich was bewegt / bevor du gehst“, heißt es in „Du schreibst Geschichte“. „Die Reise geht weiter, es hört nie auf / Die Reise geht weiter, ich lauf und lauf „ in „Wo es beginnt“. 
Doch wozu das ganze Herumgerenne, wenn man am Ende doch nicht vom Fleck kommt? „Jetzt bin ich wieder hier / Frag mich, ‚was ist passiert?‘/ Stell mit Bedauern fest / Dass alles unverändert ist“, erkennt Sebastian Madsen in „Vielleicht“.
Das literarische Motiv der Reise reicht von Homers Odyssee über die Road- und Drogentrips der Merry Pranksters in den 60ern bis in postmoderne Feuchtgebiete. Doch wollten die Protagonisten dort entweder etwas über ihren Körper beziehungsweise ihr erweitertes Bewusstsein erfahren oder wenigstens einfach nur nachhause. Gute Gründe also sich auf Fahrt zu begeben. Man sollte sein Ziel kennen, sonst kommt man nie an, nicht einmal in Bon Scotts Rock´N´Roll-Hölle.
Madsen dagegen begnügen sich damit, vorerst nicht umzufallen: „Jeder flieht auf seine Weise“, singt Sebastian gemeinsam mit Keyboarderin Lisa Nicklisch, die „So cool bist du nicht“ noch mit etwas Zuckersirup versüßt – und sei es nur vor dem eigenen Schatten.

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