Freitag, 19. Juli 2013

Musikalische Brandrodung - Soulfly machen im Substage ein paar Quadtratkilometer Regenwald zu Kleinholz

Seit seinem Abgang bei den Thrash-Ikonen Sepultura hatte sich Max Cavalera die Versöhnung von extremem Metal und Weltmusik zur Lebensaufgabe gemacht. Seit dem 2012er Album “Enslaved” gebärdet sich seine Soloband Soulfly wieder etwas gradliniger und brutaler. Bei seinem Auftritt im Substage am Mittwoch kann der Brasilianer die gut vierhundert eingerückten Fans voll überzeugen. Doch die Schatten der Vergangenheit reichen weit.
Soulfly haben den Faden aufgenommen, wo Sepultura ihn Mitte der 90er mit „Roots“ haben fallenlassen: Vom Einfall der Zivilisation in ihre Jagdgebiete erboste Yanomami rühren die Dung-dugga-dung-Tribal-Drums. Abgehackte Wacke-chi-wacke-chi-Riffs brechen breite Schneisen in den Palisander-Bestand. Max Cavalera –in der Tradition südamerikanischer Guerilleros und Udo Dirkschneiders angetan mit tarngrünem Kampfanzug  – schwingt unermüdlich die dicken verfilzten Haarwürste.  Seinem inneren Brüllaffen lässt er derart freien Lauf, als trage er einen Blätterhandschuh voller Riesenameisen, wie er bei den schmerzhaften Initiationsritualen junger Sateré-Mawé-Indianer üblich ist. Da nimmt der Tapir verängstigt Reißaus und die bunten Aras verstreuen sich schimpfend in alle Winde. Alles Saufen im Dienste des "Regenwald Projekts" einer bekannten Bierfirma – in wenigen Augenblicken zunichte gemacht.
Cavaleras musikalische Brandrodung ist effektiv – alles springt und versucht mit hochgereckten Armen die Hallendecke anzuheben. Aber dennoch:  die ewigen Huppla-huppla-Refrains, die meist aus den mehr oder minder originell kombinierten Bauteilen „Un, dos, tres“, „Here weg go“ oder „Jump, jump“ zusammengesetzt sind und offenbar animierend wirken sollen, rufen eher Langeweile hervor. Dagegen macht der Ausflug in alte Sepultura- Tage mit dem Arise-Opener „Dead Embryonic Cells“ richtig munter. Nach all dem groovigen Midtempo-Gecruise wird das Gaspedal endlich mal bis zum Anschlag durchgetreten. Mit solcher Wucht zischen einem die 100 Dezibel in die Fresse, dass die nächste Zahnsteinentfernung getrost auf nächstes Jahr verschoben werden kann. Während „Territory“ fahren dann Startfahrzeuge mit einschüchternd aufgepflanzten Jericho-2 Mittelstreckenraketen vor dem geistigen Auge vorbei und „Refuse/Resist“ ist noch immer einer der kompromißlosesten Kracher der Thrash-Geschichte.
Apropos: Man soll ja nicht immer sagen, dass früher alles besser war, aber manchmal muss der Zeitzeuge doch den Käpt´n Blaubär machen: 1994. Obituary, Rollins Band und Sepultura prügeln sich im Verein durch Europa. Mit „Cause Of Death“, „Weight“ und natürlich „Chaos A.D.“ haben alle drei Bands soeben absolute Hyper-Klassiker vorgelegt und hinterlassen an Kampfabenden – der Ausdruck Konzert beschreibt das Geschehen nur ungenügend – ganze Turnhallen voll zerschmetterter Leiber. Dagegen ist das hier, sorry Nax, nur ein Spaziergang im Park. Na schön, im Amazonas-Dschungel.

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