Samstag, 28. September 2013

Kick Ass-Dadaismus - Kommando Sonne-nmilch

Foto: Promo
Kommando Sonne-nmilch; klingt als Bandname schon irgendwie witzig. Doch wer an diesem Donnerstag in der gut besuchten  Alten Hackerei eine Spaßpunksause erwartet, irrt: Was die Hamburger Sonnenschützer da abfahren, hat mit Juxrock à la Mucky Pup, Toy Dolls und Konsorten herzlich wenig zu tun. Kämen Motörhead eines Tages auf die Idee, Brecht/Weil zu interpretieren, das Ergebnis klänge vermutlich ähnlich.
Rasselnd wie sperrig rockt das Instrumentaltrio. Bässe, klickernd und pluckernd, wie ein fetter Dieseltruck mit defekter Kupplung, Drums wie aus dem Bolzenschussgerät, wie brünftiges Rotwild röhrende Gitarren. Hibbelig, wie vom Fieber geschüttelt, wirkt dieser Krautpunk – doch gleichzeitig düster. Veranstaltet wird das stroboskopische Kesseltreiben von Typen, die in ihren vergilbten Hemden und Anzügen aus dem Diakonie-Kaufhaus aussehen, als verbrächten sie ihre Freizeit bevorzugt in zwiebelmustertapezierten Bahnhofsgaststätten und mit Häkelvorhängen abgedunkelten Spielotheken. Dazu gibt es zwei Hintergrundsängerinnen in Schuluniformen, die gekonnt immer einen Halbton danebenliegen (die Sängerinnen, nicht die Uniformen).
Davor schiebt sich Sänger und deutsches Szene-Urgestein Jens Rachut  am Bühnenrand hin und her. Unter der tiefsitzenden Burschenschaftsmütze des etwas speckigen Hühnen wuchern strohige Strähnen hervor. Wie unter Strom beginnen sie zu zittern, sobald der bald 60-Jährige mit vorgeschobenem Unterkiefer wieder einen Schwall unergründlich freakhafter Verse, die meist an der Grenze zum Dadaismus entlangschrammen (Nicht nur darin erinnert das Hautschutzkommando an die Ur-Politrocklyriker Checkpoint Charlie), herausschreisingt.
Es geht um Existenzen, die nur dank des nikotingelben Kneipenlichtes unter dem sie Dahinvegetieren überhaupt  eine  Gesichtsfarbe haben. Und denen selbst der Tod nichts zu sagen hat, während sie durch sternenkalte Nächte irren oder ohne Geld und ohne Strom in ihren jämmerlichen raureifbedeckten Hartz IV-finanzierten vier Wänden hocken. So viel lässt sich heraushören.
Die SPD-Granden sollten sich Rachuts bissig herausgebellte Kommentare als Vorbereitung für etwaige Koalitionsverhandlungen mit der Union einmal zu Gemüte führen. Dann setzten die Genossen vielleicht die richtigen Prioritäten.

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