Dienstag, 20. Mai 2014

Kleingeldprinzessin ganz groß - Dota und Band

Dota on stage in München. Foto: Uwe Lischka
Nein, wie eine Prinzessin sieh Dorothea Kehr nicht aus: Die langen braunen Haare sind schlicht zusammengebunden, das schwarze Oberteil schlabbert ein wenig um den knabenhaften Oberkörper, dazu ein einfacher halblanger dunkler Rock und kniehohe Stiefel. Früher firmierte sie als Kleingeldprinzessin und ihre Begleitmusiker als Stadtpiraten. Stünde Dota, wie sich die ehemalige Straßenmusikerin inzwischen ganz unglamourös verkürzt nennt,  am Sonntag, 11. Mai, unten im Zuschauerraum und nicht auf der Bühne des Karlsruher Tollhauses, sie würde kaum weiter auffallen. Sobald die Berlinerin allerdings den Mund aufmacht, ist es ganz und gar vorbei mit der Biederkeit. Die Mitdreißigerin mag nicht über großen Star-Appeal oder besondere stimmliche Gaben verfügen, dafür kann sie Texten, als wäre sie als kleines Kind in einen Kessel mit Buchstabensuppe gefallen. Heliobacter auf „Geld verdirbt den Charakter“ zu reimen, ohne sich lächerlich zu machen, das schafft schließlich nicht jeder.
Apropos Konsum- beziehungsweise Zivilisationskritik: Gleich zu beginn macht Dota klar, dass sie beim Singen nicht gefilmt werden möchte, „denn das gibt mir die Möglichkeit, mich so zu verhalten, wie wenn ich nicht gefilmt werde.“ Das sollte nicht die letzte Kampfansage an Technikverliebtheit und Fortschrittsglauben bleiben an diesem Abend. „Es geht nicht um ein Stück vom Kuchen/ es geht um die ganze Bäckerei“, macht die Sängerin in „Utopie“ klar. „Die Erde ist eine Scheibe/ und bis zu ihrem Rand – Erschlossenes Land“, heißt es im gleichnamigen Song. Darin, komplexe Probleme in einfache und doch poetische Worte zu fassen, ist die die Kleingeldprinzessin – der Europawahlkampf macht es einmal mehr deutlich – der deutschen Politelite ein gutes Stück voraus.
Neben reichlich Sozialkritik und politischen Themen wird viel Nachdenkliches geboten: „Von nahem besehen ist jedes Glück mühsam“, weiß Dota. Aber auch, dass wer ganz oben ist, bei regen als erster nass wird. Und viele Menschen leider „viel zu viel Ärger und viel zu wenig Mut“ haben. Das sind große Wahrheiten in kurze Sätze gepackt.
Fleißig beackert wird auch das Feld der Liebe, stets unpeinlich, weil völlig kitschfrei, dafür oft vor krudem Humor sprühend, der gar nicht selten in surrealistischen Traumsequenzen oder auch blankem Unsinn gipfelt. Etwa wenn die Erzählerin ihre Blumen wegwirft und die Katze verschenkt, um mit diesem blonden Typen und seinem roten Rennrad durchzubrennen.
Klar, ist das alles irgendwie Mädchenmusik. Aber ohne die blassrosa sozialromantische Muschelketten-Ästhetik, die Wir sind Helden so unerträglich machte. Mehr im Sinne von Funny van Dannen, wenn er im Lied „Mädchenmusik“ singt: „Man konnte prima tanzen und auch gut überlegen /Man konnte klasse küssen und sich so komisch bewegen.“
Den stilistischen Rahmen dazu bilden Bossa Nova, 70er Fahrstuhl-Jazz, Reggae und Folk. Allerdings  werden die technisch versierten Musiker kaum je von der Kette gelassen. Wie auch, macht Kehr doch eigentlich Literatur mit Hintergrundmusik. Dennoch verstehen es Jan Rohrbach an der E-Gitarre, Janis Görlich am Schlagzeug und Jonas Hauer an den Tasten, sich immer wieder mit kleinen Tricks in Szene zu setzen. Etwa wenn Görlich in bester Jerry Lewis-Manier eine Schreibmaschine als Percussions-Instrument benutzt.
Dota und Band liefern die musikalische Entsprechung von Slow Food: Authentisch, bewusst, aber trotzdem nicht genussfeindlich oder gar sektiererisch. Klasse! Dota mag nur eine Kleingeldprinzessin sein, ihr Wortschatz ist unbezahlbar.








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