Mittwoch, 26. November 2014

Alles oder nichts! - AC/DCs "Rock Or Bust" fehlt ohne Malcolm der letzte Kick

"Ficken oder platzen", "Für Aufruhr sorgen oder untergehen", "Alles oder nichts", so in etwa könnte man den Titel des neuen AC/DC-Albums „Rock Or Bust“ (VÖ: 28.11.) übersetzen. Nun, völlig abschiffen werden die Australier mit Album Nummer 15 wohl nicht, viel Aufsehen erregen aber ebensowenig. "Rock Or Bust"anzuhören fühlt sich ein wenig an wie ein Treffen mit den alten Saufkumpanen aus Studienzeiten: Man freut sich zwar riesig, die – längst ergrauten – Jungs wiederzusehen, aber die Party ist dann doch nur halb so geil wie man sie in Erinnerung hatte. Sei es, weil das Totalbesäufnis als gemeinschaftsbildendes Ritual mit den Jahren doch ein wenig an Zauber eingebüßt hat. Sei es, weil der eigene Körper die einst obligatorischen Biermengen schlicht nicht mehr verarbeiten kann.
So kommt die neue AC/DC-Scheibe nicht an ihre über acht Millionen Mal verkaufte Vorgängerin “Black Ice” heran.  An die davor erschienene, „Stiff Upper Lipp“,  schon zweimal nicht. Denn während Erstere mit machtvoller, Fäuste gen Himmel zwingender Pomp Rock- Atmosphäre an die kommerzielle Hochphase der Band in den frühen 80er Jahren erinnerte, war Letztere ein Lehrstück in bluesigem Minimalismus und muss somit als das wahre Altersmeisterwerk von  „Acca Dacca“ gelten.
Das größte Manko von „Rock Or Bust“ ist sicherlich das Fehlen von Malcolm Young. Der Bandgründer und unumstrittene Chef hatte im Frühjahr nach 41 Jahren seine Karriere wegen einer schweren Demenzerkrankung beenden müssen. Den Part des Rhythmusgitarristen hat bei den Aufnahmen Neffe Stevie Young übernommen. Der hatte seinen Onkel Ende der 80er schon mal während eines alkoholentzugsbedingten Sabbaticals vertreten.
Vermutlich kann man das sich auch einreden, aber schon das Eröffnungsriff des an vorderster Position stehenden Titels „Rock Or Bust“  klingt irgendwie verwaschen. Man höre sich dagegen nur den Einstieg des Titeltracks von AC/DCs  Megaseller „Back in Black“, dem meistverkauften Album der Rockgeschichte, an: „Srgg, srgg, srgg, srgg, srgg, srgg, DAGG, DAGGEDAGG, DAGGEDAGG“, knallt es es einem aus dem Bauch von Malcolms Gretsch-Gitarre entgegen. So steinhart und knochentrocken wie der von der Sonne gebrannte Lehm in einer ausgedörrten Rindertränke im australischen Outback. Spätestens dann wird einem klar: Diesem Mann sollten sie in seiner Heimatstadt Sidney ein überlebensgroßes Denkmal errichten – oder wenigstens seinem rechten Handgelenk.
Vor  diesem Hintergrund wirkt der Albumtitel „Rock Or Bust“ weniger wie eine Kampfansage, als  wie eine Beschwörung des eigenen Kampfgeistes. Und als wäre das nicht genug Voodoo, um das Schicksal in Schach zu halten, tragen obendrein noch fünf der elf Songs das Wort „Rock“ im Titel. Genutzt hat die Selbsthypnose nur bedingt: Auf der Habenseite  zu nennen wäre die leicht debile, aber Stadiontaugliche  Mitsingnummer „Rock The Blues Away“,  das flotte “Babtism by Fire” und auch das zeppelinesque “Rock The House”, öhm, rockt ordentlich. Der Rest boogiet so dahin ohne wirklich zu zünden. Leadgitarrist Angus Young gelingt kein wirklich memorables Solo (außer vielleicht beim düsteren "Dogs Of War"). Ohne Malcolm Youngs Faust im Nacken, entwickelt nicht einmal die weltbeste Rhythmusgruppe Phil Rudd und Cliff Williams den gewohnt swingenden Schub und pluckert stattdessen im unteren Drehzahlbereich. Einzig Frontmann Brian Johnson setzt ein Ausrufezeichen, indem er mehr singt als Schreit, was ihm sehr gut gelingt.
Unterm Strich ist „Rock Or Bust“ ein gutes Hardrock Album, aber eine höchstens durchschnittliche AC/DC Platte. Schade, dieser großen alten Band und ihrem Gründer hätte man einen grandioseren Abgang gewünscht.

Donnerstag, 20. November 2014

To bono or not to bono, that is the question! - Augustines in concert


Augustines at the Bowery Ballroom in NYC 3/3/14. Foto: Rtsanderson
„Sind das eigentlich Iren?“, fragt sich der Hörer unwillkürlich während die Augustines am Sonntagabend, 9. November, im Musikklub Substage auf der Bühne stehen. Nein, es sind Amis! Und zwar aus Brooklyn. Einem New Yorker Stadtteil, der bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts zwar auch viele Iren beherbergte, den die Synapsen des kollektiven Popkultur-Gedächtnisorgans aber eher mit Hip Hop in Verbindung bringen. Fans von Notorious B.I.G., Jay Z oder den Beastie Boys sind der Sänger und Gitarrist Billy McCarthy, der multi-instrumentalist Eric Sanderson and Drummer Rob Allen aber ganz offensichtlich nicht.
Der New Wave-Sound des inzwischen nach Seattle übergesiedelten Trios atmet vielmehr derart den Geist der grünen Insel, dass vor dem geistigen Auge eins ums andere die Bilder saftiger kleebestandener Wiesen, demonstrierender Bürgerrechtler und eines lustig um einen riesigen Topf mit Gold herumtanzenden Männleins mit Gelfrisur und überdimensionierter bunter Brille vorbeiziehen. Fast erwartet man, McCarthy werde jeden Moment “With or without you” anstimmen.
Gelegentlich mögen die Augustiner mit den Referenzen an die 80er-Jahre im Allgemeinen und ihre offensichtlichen Heroen U2 und Simple Minds im Besonderen über das Ziel hinausschießen. Sandersons nostalgische Members Only Jacke, MTV-erprobten Stagemoves  und McCarthys kumpelhafte Art als Gegenpol machen den Auftritt schon wieder grundsympathisch.
Was wichtiger ist: Ein Händchen für eingängige Refrains mit viel „Yeah, yeah, yeah“ und „Wohohohooo“ (“Cruel City“), die wie mit Kerrygold geschmiert in den Gehörgang flutschen, kann man den Augustinern nicht absprechen. Mit viel Verve vorgetragen und positiv aufgeladen eigenen sich die schrammeligen Freiheitshymnen des Trios folglich  ganz prima als Marschmusik für die nächste „Wir sind die 99 Prozent“-Demo – ohne erklärtermaßen politisch zu sein. Im Gegenteil: McCarthy, der während der vergangenen Jahre seine Mutter an den Alkohol verlor und diverse andere persönliche Tiefschläge verkraften musste, besingt meist persönliche Erfahrungen. Das verleiht seinen Songs Kraft. So wäre eine leicht manirierte Piano-Ballade wie „Philadelphia (City of Brotherly Love)” vielen Sängern einfach nur schwülstig geraten, McCarthys sandpapierbehandeltes Organ verleiht ihr indes Glaubwürdigkeit. Eine Eigenschaft, die Augustines  ihren Vorbildern U2 voraus haben.




Montag, 17. November 2014

Bleibt fröhlich! - Bohren und der Club of Gore als Opfer des Fan-Authismus

Nichts macht aggressiver als ein Konzert von Bohren und der Club of Gore (CoG)! Da kann keine Metzel Metal-Band der Welt mithalten. Indes liegt das nicht etwa an der Musik des Duster Jazz-Quartetts aus Mühlheim an der Ruhr, denn die zeichnet sich eher durch beschränkende Langsamkeit und kontemplativ-sphärische Atmosphäre als kriegerisch-aufpeitschende Stimmung  aus. Es liegt vielmehr am Publikum. Das ergaben Feldbeobachtungen beim CoG-Gastspiel am Donnerstag, 6. November, im Karlsruher Musikclub Stadtmitte.
Der mittelbadische CoG-Enthusiast fällt durch zudringliches am Boden Sitzen im Vorbühnenbereich auf. Unter den hingestreckten Edel-Fans scheint es obendrein als besonderer Ausdruck der Begeisterung zu gelten, penetrant meditativ ins Leere starren und den erzeugten Tönen hinterher zu horchen. Die ostentative Versunkenheit in den Musikgenuss und die damit einhergehende Weltabgewandtheit vermindert freilich die Fähigkeit, auf die Umwelt zu reagieren, sprich ein wenig Rücksicht auf die Mitbesucher zu nehmen. So dass sich die weniger privilegierten Steher im relativ kleinen Club entlang der Wand  und an der Bar im hinteren Bereich stauen. Stets bemüht, im Dunkel auf keinen der komfortabel Lagernden zu treten beziehungsweise den mit zunehmender Konzertdauer immer stärker werdenden Wunsch, genau das zu tun, im Zaum zu halten.
Der Arbeitsplatz, auf dem CoG ihren Ereignisarmen aber gleichwohl fesselnden „Borecore“ erzeugen, liegt in völliger Finsternis, die lediglich ein paar Strahler punktuell zurückdrängen. Als Instrumente kommen nach dem Höreindruck vermutlich Kontrabass, Schlagzeug, Saxophon, Piano und Vibraphon (Für die Kids und Digital Natives unter euch: Das Vibraphon ist eine Art überdimensioniertes Xylophon, dem eine Modulationsautomatik ein charakteristisches Tremolo verleiht) zum Einsatz. Wirklich sehen kann man das dank der Sitzblokade im Saal in der dustren Ferne aber nicht, nur vermuten.
Die Stücke tragen famose Namen wie „Mitleid Lady“ (in Anspielung an den von Chris Norman gesungenen Dieter Bohlen Song?) oder „Verloren – Alles“ und so klingen sie auch. Dass die vier CoG-Musiker nach eigenem Bekunden „coole Typen, die ihre Spielfreude im Griff haben“ sind, kann also wenig überraschen. Tatsächlich spielen sie ihre Instrumentalstücke mit einer Langsamkeit, die nicht nur bloß an der Grenze zum Stillstand entlangschrammt. Nein, noch zehn Beats pro Minute weniger, man müsste fürchten, das Raum-Zeit-Kontinuum kippe und die Uhren begännen Rückwärts zu laufen.
Vom beschriebenen Publikums-Autismus müssen aber selbst diese temperamentlosen Depri-Mucker irritiert sein. Hier werde man wenigstens kontrolliert wahrgenommen, witzelt Clubpräsident Christoph Clöser. „Anders als gestern in Nürnberg, wo die Leute die Hütte abgerissen haben.“ Deshalb spiele man heute entgegen den Gepflogenheiten zwei Zugaben. Nicht ohne den versammelten Unbeteiligten zum Abschied noch ein „bleibt fröhlich!“ zuzurufen.

Donnerstag, 13. November 2014

Licht am Ende des Tunnels: Blood Red Shoes


Stochern im Nebel: Blood Red Shoes.  Foto: Promo
Von der Decke über der Bühne des Substage baumelt am Donnerstagabend ein Dutzend überdimensionierter Glühbirnen. Symbolik? Womöglich! Werden die britischen Blood Red Shoes, zu deren Deko die Lampen gehören, doch als neue Lichtgestalten des Indie-Rock gepriesen. Und eine Erleuchtung hat die Szene laut Frontfrau Laura-Mary Carter dringend nötig: Erst kürzlich hatte sie in der Fachpresse angeprangert, dass auf dem vergangenen Festivalsommer nur so wenige Rockmusikerinnen vertreten gewesen seien. Schuld daran seien die Musikhörer und eine Gesellschaft, die rockende Frauen noch immer als Kuriosität ansehe. Aha!
Aus der Hausanlage ertönt derweil Glamrock. Noch mehr Symbolik? Möglich! Denn denkt man ein wenig darüber nach, fällt auf, dass Frauen rein rockmäßig das letzte Mal während der 70er Glitter-Ära und den haarsprayversteiften 80ern megaerfolgreich waren: Suzi Quatro, The Runaways, Heart, Blondie, Grace Slick, Pat Benatar, The Pretenders, Girlschool, Plasmatics und Vixen. Währenddessen kommen aus späteren Jahrzehnten spontan lediglich die US-Punketten L7 in den Sinn. Bleibt die Frage, ob an der gegenwärtigen von Carter diagnostizierten mangelnden Präsenz weiblicher Rocktalente nun das Fehlen selbiger oder doch der Konsument schuld ist.
Doch wenden wir uns von der Theorie ab und der Praxis zu: Die zierliche Carter und ihr noch jugendlicher wirkender Sidekick am Schlagzeug Steven Ansell sehen aus, als müssten sie wegen des abendlichen Auftritts am nächsten Tag die Schule schwänzen. Dass sie so gut rocken kann wie ihre vorgenannten Geschlechtsgenossinnen, macht die junge Frau indes schon mit drei Akkorden klar. Die entlockt sie nämlich einer abgegriffenen Gibson SG, dem Gitarrenmodell, das auch Black Sabbaths Tony Iommi favorisiert. Obwohl leicht indie-schrammelig erinnert Carters Sound mehr an Lemmys Bass als an The Strokes, was selbst Leute mit dem Duo-Format versöhnt, die normalerweise eine Aversion gegen Bands haben, die meinen, auf einen Tieftöner verzichten zu können (Doors, White Stripes).
Die Songs klingen ein wenig, als habe Lenny Kravitz zu einigen schweren alten Blue Cheer-Riffs die Gesangslinien beigesteuert, der legendäre Clem Burke ein paar seiner unnachahmlich straighten Beats daruntergelegt und Josh Homme dem ganzen schließlich zu einem grisseligen Fuzz-Sound verholfen. Blood Red Shoes verfügen also gleichermaßen über Popappeal und einen ordentlichen Punch, was sie rockschuppen- UND Tanzbodenkompatibel macht. Ein nicht ganz unwesentlicher Erfolgsfaktor, den die Rockdiven vergangener Tage stets im kajalumrandeten Auge behielten.
Die Strahlkraft der Blood Red Shoes bringt vielleicht noch nicht die erhoffte Erleuchtung, aber ein Licht am Ende des Tunnels entzünden die beiden allemal.

Montag, 10. November 2014

Katzenmusik für Licornuphobe - Haggard live

It ain´t Country: Haggards Asis Nasseri 2009 in Glauchau. Foto: Lucas Friese
Das Wichtigste gleich vorweg: Wer damit gerechnet haben sollte, von der Formation Haggard bei deren Gastspiel im Musikclub Substage am Donnerstag, 30. Oktober, mit schmissiger Countrymusik unterhalten zu werden, wurde bitter enttäuscht. Denn obwohl die Bajuwaren auch auf traditionelle Instrumente wie Fiedeln und Klampfen zurückgreifen, haben sie ihren Bandnamen – das wurde schnell offenbar –  keineswegs bei US-Sänger Merle Haggard („Okie from Muskogee“) entlehnt. Die schrullige Mischung aus pseudoklassischer Musik, rumpumpeligem Death Metal und Fantasietexten lässt vielmehr den Schluss zu, der verhärmte Licornuphobe König aus dem Film „The last Unicorn“ habe hier Pate gestanden.
Doch gehen wir chronologisch vor: Schlagzeugdonner! Orchesterdonner! Chordonner! Dramadonner! Die Vorband Sound Storm  immerhin trägt ihren Namen zu Recht. Die Italiener erschlagen den Hörer förmlich mit ihrem theatralischen Highspeed-Operetten-Metal. Und das über weite Strecken technisch gekonnt und elegant wie ein Venezianischer Fechtmeister. Nur gelegentlich übertreibt es das Sextett mit dem Bombast. Dann wirken die Songs hektisch und  die Refrains so aufgeblasen und kitschig, als haben sich das Rondo Veneziano und die Ten Tenors nach dem gemeinsamen Besuch eines Crack-Hauses zu einer unheiligen Popklassik-Terror-Allianz zusammengeschlossen. Dass die beiden Gitarristen mit ihrer neckischen Haartracht eher aussehen wie Promi-Friseure statt wie Metal-Musiker, erhöht dazu nicht gerade die Glaubwürdigkeit. Gottlob verfügt die Band mit  Phillipe D´Orange über einen so stimmgewaltigen wie authentischen Frontmann, so dass die ganze Veranstaltung nie völlig ins Grillenhafte abkippt.
Bei Haggard indes weckt schon der Bühnenaufbau böse Vorahnungen: Kerzen- und noch dazu Notenständer! Nach längerem Umbau schiebt endlich Asis Nasseri, gewichtiger Fixstern des Haggard-Universums, seinen enormen Klangkörper ins Scheinwerferlicht, gefolgt von einem ganzen musizierenden Lindwurm. Denn neben der üblichen Besetzung einer Rockband, sind auch Streicher sowie Holz- und Blechbläser vertreten. 
Nun spricht grundsätzlich nichts gegen den Versuch, Rockmusik mit Klassik zu kombinieren – immerhin haben  Genregrößen wie ELP, Deep Purple oder auch Accept  dabei teils recht achtbare Ergebnisse gezielt. Allerdings gehört zu einer gelungenen Symphonic-Metal-Aufführung etwas mehr, als sich den örtlichen Dorfmusikverein auf die Bühne zu holen. Öffnet etwa die offenbar als Sopranistin vorgesehene Dame ihren Mund, klingt es, als schwinge der Lausbub Ludwig Thoma eine Katze am Schwanz über seinem Kopf. Dagegen sind die tiefen Death Metal-Growls von Asis Nasseri ein wahrer Ohrenschmaus. Hinzu kommt, dass es den Haggard-Kompositionen trotz des instrumentellen Aufwands schlicht und einfach an Höhepunkten mangelt. Schnell macht sich Langweile breit.
Es gibt einige 80er-Jahre Thrash Metal-Alben, auf denen renaissancehaft  freudig dahinplätschernde Streicher erklingen. Üblicherweise bringt sie dann wahlweise ein Sechsschüsser, ein Jagdgewehr oder eine Atomexplosion nach wenigen Augenblicken zum Schweigen. Bei Haggard kommt dieser Augenblick nie – bedauerlicherweise.



Montag, 3. November 2014

Kadavar live leicht angegammelt

Kadavar; schon der Name hört sich irgendwie wurmstichig an. Und tatsächlich klingt die hochgelobte Band mehr  gut abgehangen als wirklich frisch. Wie beim Konzert der drei Hippies aus der Hauptstadt  im Karlsruher Musikclub Substage am Sonntagabend, 5. Oktober, zu erleben war. Ernüchternd, gilt das 2010 gegründete Trio doch seit geraumer Zeit als eine der größten nationalen Hoffnungen im Knarz Rock-Genre. 
Weit weniger altbacken als später der Hauptact  präsentierte sich die Vorabband The Picture Books. Zwar wird auch deren bärtiger Singer-Songwriter-Doom-Blues mit den dezenten Indie-Einsprengseln keinen Preis bei Jugend Forscht gewinnen. Aber dafür erfüllte das deutsche Duo die alte Popregel nahezu mustergültig, dass Erfolg nicht unbedingt dem größten Virtuosen am Instrument vergönnt ist, sondern demjenigen, der seine Defizite am besten in  Alleinstellungsmerkmale umzumünzen versteht. So erinnerten Fynn Claus Grabke (Gitarre, Gesang) und Schlagzeuger Philipp Mirtschink, der, sich wie ein Zwitter aus Duracellhase und Triremen-Trommler gebärdend, auf einem äußerst beschränkten Set aus drei Bassdrums und einer Schiffsglocke austobte an die Minimal-Genies The Black Keys in ihren schwärzesten Momenten.
Bei Kadavar hingegen hat man eher den umgekehrten Eindruck, nämlich das aus viel zu wenig gemacht wird: Mit Pseudonymen wie Tiger, Lupus oder Dragon nehmen sich Kadavar zwar so bedrohlich aus wie der Aufmarschplan eines deutschen Panzerbataillons vor der Alliierten Landung in der Normandie – aber eben nur auf dem Papier. Sei es, weil der zierliche Lindemann ein nur wenig charismatischer Frontmann ist und deshalb der mit seinem Schlagzeug fast am Bühnenrand thronende Tiger diesen Part  zu übernehmen versucht. Sei es, weil sich die Band zu häufig in ausufernden Gitarrengniedelorgien ergeht, statt einmal ein paar anständige Refrains zu schreiben. Vielleicht fehlen auch nur ein paar Batterien Epilepsie verursachender Stroboskope oder ein paar Milliliter Gratis-LSD. Vielleicht sind die 70er inzwischen aber auch einfach endgültig vorbei. Denn wo Bands wie Spooky Tooth und Hawkwind ihre Zeitgenossen noch mit ein paar Halleffekten und repetitiven Riffs beeindrucken konnten, wirkt sowas heute einfach nur noch antiquiert.
Das ist Schade, denn Kadavar sind durchaus keine schlechte Band. Die Rhythmussektion groovt streckenweise so unwiderstehlich wie Geezer Butler und Bill Ward zu ihren besten Zeiten bei Black Sabbath und auch Lindemann hat das eine oder andere originelle Riff auf dem Kasten. Wenn die Songs zu sehr im ungefähren bleiben, reicht das aber nicht. „Die Leute wollen was zum Mitsingen“, sagt schließlich selbst Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister. Und wo hat der sein Handwerk gelernt? Eben, bei den Kadavar-Vorbildern Hawkwind.