Donnerstag, 12. März 2015

Der Metal Alchemist - Devin Townsend live

Wandelbar: devin Townsend

Devin Townsend gilt als der verrückte Professor des Metal. Diese beschreibung ist allerdings nicht ganz treffend. Denn wie der Multiinstrumentalist aus Bruchstücken von Metal, Psycheldelic, Prog, Jazz-Rock und Ambient ein stimmiges Ganzes amalgamiert, ist wissenschaftlich gerade nicht zu erklären. Sondern im Gegenteil nur dadurch, dass irgendeine übergalaktische Macht dem Kanadier das Geheimnis der Transmutation von Elementen eingeflüstert hat, nach dem die Alchemisten des Mittelalters jahrhundertelang gesucht hatten. Erleben konnten für neureligiöse Ansichten  Aufgeschlossene das am Freitag im Musikclub Substage, wo der hochaufgeschossene Glatzenträger aus British Columbia auf seiner „Chaos in The Skies – Tour" andockte.
Passend eingestimmt wurden die in großer Zahl herbeigeströmten Schaulustigen auf das bevorstehende Opus Magnum von verstörendem Black Jazz der Norweger Shining und vertracktem Metal der US-Progger Periphery. Die Umbaupause wurde überbrückt von über die Bühnenleinwand flimmernden Einspielungen von „Ziltoid TV“, moderiert von Townsends grünschuppigem Alien- Alter Ego, das sich Fangzähne fletschend durch die Milchstraße blödelte.
Schließlich stolziert der kahlschädelige Townsend bewaffnet mit einer LED-erleuchteten Gitarre auf die Bühne und verzaubert seine Anhänger gleich zu Beginn mit dem megabombastischen „Fallout“ vom jüngsten Album „Z2“, das Metal, Pop und New Wave fugenlos verzahnt. Dann schalten Townsend und seine vierköpfige Band gleich ein paar Gänge hoch: Weiter geht es mit dem Ministry-haften Industrial-Brecher „Namaste“, der mit seinen Podracer-schnellen Doppelbass-Manövern auch noch in den hinteren Reihen die Hypophysen zum Vibrieren bringt. Euphorisch bejubelt wird „Night“ vom Klassiker „Ocean Machine: Biomech“, Townsends erstem Soloalbum, nachdem er seine Kult-Kombo  Strapping Young Lad im Jahr 2007 ins Outer Rim verbannt hatte.
Bei aller Euphorie fällt auf, dass Townsend, der gesanglich normalerweise zwischen keifendem zischen, bizarrem Grunzen und Falsett zu wechseln in der Lage ist, Stimmprobleme hat und manche Songs so tief ansetzt, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Er entschuldigt das humorvoll schlagfertig mit dem Umstand, dass er mit jedem Lebensjahr mindestens drei Töne seines Stimmumfangs verliere. Townsend ist immerhin schon 42. Das heißt indes nicht, dass er unbedingt schlechter singt, aber eben anders.
Trotz dieser Misslichkeit ist Townsend offenbar bester Laune. „Ich habe heute einfach Lust Musik zu spielen“, verkündet er. Das schlägt sich auch in der Stelist nieder: Allein vier Songs kommen vom „Party“-Album „Addicted“,  während Stücke vom  atmosphärischeren „Ki“  ebenso außen vor bleiben wie das superkomplexe „Deconstruction“-Material.  Townsends musikalische Vielseitigkeit bleibt trotzdem beeindruckend. Sie reicht von theatralisch überladenen Weltraumwalgesängen, über Kampfroboter-Marschmusik und  brachialeruptive Gewaltausbrüche, bis hin zu purem „Mars Attacks!“-Trifft-auf-Frank-Zappa-Klamauk.  Etwa wenn Townsend mit „Heatwave“ plötzlich (Space)Country- und Boogie-Klänge anstimmt. Oder wenn beim genial kitschigen „Lucky Animals” auf Kommando die die ganze Halle mit den Jazz-Hands winkt.  Optisch untermalt wird diese akustische Wurmlochdurchquerung mit ähnlich abgepfiffenden Videosequenzen. Auf den Leinwänden regnen mal Patronenhülsen hernieder, mal drehen Ballett tanzende Gorillas ihre Pirouetten.
Zugegeben: Auf Dauer ist es ganz schön ermüdend, mit Townsend bei seinen wilden Sprüngen zwischen Quatsch und Pathos Schrittzuhalten. Dafür sieht man so ein Konzert aber auch nicht alle Tage.


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